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 REGIE 

Judas

Theater

in der Altstadt Meran / Südtirol | 2023

Regie | Alexandra Wilke

Schauspiel | Markus Westphal

Bühne | Walther Thaler
 

Premiere 08.02.2023 - 20:00 Uhr


Wenn wir per Sprachmittel über andere unser Urteil fällen, üben wir Macht über diese aus.
Das kann gerecht sein, aber manchmal eben auch nicht. Im Theater interessieren uns die
Ungerechtigkeiten!


Geht es um Zuschreibungen über andere, sprechen wir oft (zu) schnell in Extremen, gehen
zügig dazu über, Gefühle für Argumente zu halten und keine andere als moralische gelten zu
lassen. Trotz gefährlichen Halbwissens und fehlender Kenntnis der Sachlage verlautbaren
wir allzu gern unsere „Meinung über“ unhinterfragt und auch oft ungefragt. Oder wir
positionieren uns öffentlich. Schließen uns anderen an, teilen die Ansicht "von", "über", "mit".


Die sozialen Medien beschleunigen, vereinfachen und befeuern etwaige Diskurse, gar
Kampagnen für oder gegen einzelne Personen oder Gruppen. Das ist bekannt. Betroffene
oder auserwählte Menschen werden Gegenstand einer Überhöhung oder Untergrabung (oft
folgt dem einen das andere), werden zum Objekt eines affektiven Gesellschaftsspiels in dem
sich jeder einzeln und/oder alle zusammen an einem zur Projektion "Vogelfreigegebenen"
abarbeiten können. So wird schnell aus Konsens Nonsens.


Die Geschichte, sowohl die literarisch überlieferte als auch die, die wir Realität nennen,
wimmelt nur so von Personen, denen zu Unrecht Unwahrheiten, Schmähkritiken, Gerüchte,
kurz Rufmord, gegebenenfalls auch Mystifizierung, Glorifizierung zuteilwurde.
Nicht immer ist es möglich, dass sich der zum Objekt gewordene Mensch wehren kann.
Der Kampf und das Ringen um sich SELBST, um seine eigene Geschichte, soziale und
kulturelle Identität ist vielen, die "es erwischt" nur in ihrer Fantasie möglich, findet innwendig
statt, frisst sie auf.


Hier steht uns nun ein Judas Iskariot persönlich gegenüber. Liefert sich aus, beichtet, wehrt
sich, stellt klar, begehrt auf. Er fühlt sich beziehungslos, namenslos, allein, irgendwie
außerirdisch, im Transit, eingesperrt, umgeben von einem riesigen Nichts, das lebt. Das ist
sehr mutig und sollte uns nachdenklich stimmen, warum er das nötig hat.


Alle, behauptete bereits Thomas Bernhard, leben mindesten drei Leben: ein tatsächliches,
ein eingebildetes und ein nicht wahrgenommenes! Wenn es stimmt, dass 90% eines Lebens
unterirdisch stattfinden, bleiben notierte Biografien unreine Fiktion.


Also hören wir aufmerksam zu und beobachten wir seine Körpersprache genau. Schnell
ahnen wir, dass es schwierig werden könnte, herauszufinden, was wahr ist und was eben
Fiktion. Ein Verräter wie Judas ist unmöglich nichts als ein Verräter und Jesus ebenso
unmöglich nichts als ein Heilsbringer. Alle anderen Qualitäten ihres Lebens werden im
Malstrom dieser einen versenkt, wenn es nicht gelingt, reflektierend sich einem Urteil
anzunähern.


Judas könnte irgendein Mensch von der Straße sein. Vielleicht nicht gerade Du und auch
nicht ich. Aber wie er da so steht in seinem ockerfarbenen Anorak, da...erinnert er uns doch
irgendwie an...ja genau an unseren Nachbarn! Also an deinen Nachbarn!
Wie immer wird es auch nach seiner Selbstinszenierung mehr Fragen als Antworten geben.

Judas
"Im Anfang war das Wort. Und das Wort war Gott."
Sprache schafft also Realität. Obacht!
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